Der Schauende

Was wir besiegen, ist das Kleine,  
und der Erfolg selbst macht uns klein.  
Das Ewige und Ungemeine  
will nicht von uns…

 

Wie ist das klein, womit wir ringen,  
was mit uns ringt, wie ist das groß;  
ließen wir, ähnlicher den Dingen,  
uns so vom großen Sturm bezwingen, -  
wir würden weit und namenlos. 

 

Ich sehe den Bäumen die Stürme an,  
die aus laugewordenen Tagen  
an meine ängstlichen Fenster schlagen, 

und höre die Fernen Dinge sagen,  
die ich nicht ohne Freund ertragen,  
nicht ohne Schwester lieben kann. 
 

Was wir besiegen, ist das Kleine,  
und der Erfolg selbst macht uns klein.  
Das Ewige und Ungemeine  
will nicht von uns gebogen sein.  
Das ist der Engel, der den Ringern  
des Alten Testaments erschien:  
wenn seiner Widersacher Sehnen  
im Kampfe sich metallen dehnen,  
[fühlt er sie unter seinen Fingern 
wie Saiten tiefer Melodien. 

 

Da geht der Sturm, ein Umgestalter 
geht durch den Wald und durch die Zeit, 
und alles ist wie ohne Alter:  
die Landschaft, wie ein Vers im Psalter,  
ist Ernst und Wucht und Ewigkeit. 

 

Was wir besiegen, ist das Kleine,  
und der Erfolg selbst macht uns klein.  
Das Ewige und Ungemeine  
will nicht von uns gebogen sein.  
Das ist der Engel, der den Ringern  
des Alten Testaments erschien:  
wenn seiner Widersacher Sehnen  
im Kampfe sich metallen dehnen… 

 

Wen dieser Engel überwand,  
welcher so oft auf Kampf verzichtet,  
der geht gerecht und aufgerichtet  
und groß aus jener harten Hand,  
die sich, wie formend, an ihn schmiegte. 
Die Siege laden ihn nicht ein.  
Sein Wachstum ist: der Tiefbesiegte  
von immer Größerem zu sein. 
 



Gold

Denk es wäre nicht: es hätte müssen  
endlich in den Bergen sich gebären  
und sich niederschlagen in den Flüssen  
aus dem Wollen, aus dem Gären

  

ihres Willens; aus der Zwang-Idee,  
dass ein Erz ist über allen Erzen.  
Weithin warfen sie aus ihren Herzen  
immer wieder Meroe

  

Nur (so sagt man) in den letzten Nächten  
steht es auf und sieht sie an.

 

an den Rand der Lande, in den Äther,  
über das Erfahrene hinaus;  
und die Söhne brachten manchmal später

das Verheißene der Väter,  
abgehärtet und verhehrt, nachhaus;

  

Nur (so sagt man) in den letzten Nächten  
steht es auf und sieht sie an.

 

wo es anwuchs eine Zeit, um dann  
fortzugehn von den an ihm Geschwächten,  
die es niemals liebgewann.  

 

Nur (so sagt man) in den letzten Nächten  
steht es auf und sieht sie an. 

 



Der Selbstmörder

Ich weiß das Leben ist gar und gut  
und die Welt ist ein voller Topf,  
aber mir geht es nicht ins Blut,  
mir steigt es nur zu Kopf. 

 

Halten sie mir den Löffel her,  
diesen Löffel Leben.  
Nein ich will und ich will nicht mehr,  
lasst mich mich übergeben
.

 

Also noch einen Augenblick.  
Dass sie mir immer wieder den Strick  
zerschneiden.  
Neulich war ich so gut bereit  
und es war schon ein wenig Ewigkeit  
in meinen Eingeweiden. 

 

Halten sie mir den Löffel her,  
diesen Löffel Leben.  
Nein ich will und ich will nicht mehr 
lasst mich mich übergeben. 

 

Andere nährt es, mich macht es krank;  
begreift, dass man's verschmäht.  
Mindestens ein Jahrtausend lang  
brauch ich jetzt Diät.  

 

Ich verrinne, ich verrinne 

 

Andere nährt es, mich macht es krank;  
begreift, dass man's verschmäht.  
Mindestens ein Jahrtausend lang  
brauch ich jetzt Diät. 

 

Ich verrinne, ich verrinne 
wie Sand, der durch Finger rinnt. 
Ich habe auf einmal so viele Sinne, 

die alle anders durstig sind. 
Ich fühle mich an hundert Stellen 
schwellen und schmerzen. 
Aber am meisten mitten im Herzen. 

Ich möchte sterben. Lass mich allein. 
Ich glaube, es wird mir gelingen, 
so bange zu sein, 
dass mir die Pulse zerspringen. 

Halten sie mir den Löffel her,  
diesen Löffel Leben.  
Nein ich will und ich will nicht mehr,  
lasst mich mich übergeben. 



Todeserfahrung

Wir spielen weiter. Noch ist die Welt voll Rollen, die wir spielen. 
Solang wir sorgen, ob wir auch gefielen, 
spielt auch der Tod, obwohl er nicht gefällt.

 

Wir wissen nichts von diesem Hingehn, das 
nicht mit uns teilt. Wir haben keinen Grund, 
Bewunderung und Liebe oder Hass 
dem Tod zu zeigen, den ein Maskenmund 
tragischer Klage wunderlich entstellt. 

 

Doch als du gingst, da brach in diese Bühne 
ein Streifen Wirklichkeit durch jenen Spalt 
durch den du hingingst: Grün wirklicher Grüne, 
wirklicher Sonnenschein, wirklicher Wald. 

 

Wir spielen weiter. Bang und schwer Erlerntes 
hersagend und Gebärden dann und wann 
aufhebend; aber dein von uns entferntes, 
aus unserm Stück entrücktes Dasein kann 
uns manchmal überkommen, wie ein Wissen 
von jener Wirklichkeit sich niedersenkend, 
so dass wir eine Weile hingerissen 
das Leben spielen, nicht an Beifall denkend. 

 

Wir wissen nichts von diesem Hingehn, das 
nicht mit uns teilt. Wir haben keinen Grund, 
Bewunderung und Liebe oder Hass 
dem Tod zu zeigen, den ein Maskenmund 
tragischer Klage wunderlich entstellt. 

 

Doch als du gingst, da brach in diese Bühne 
ein Streifen Wirklichkeit durch jenen Spalt 
durch den du hingingst: Grün wirklicher Grüne, 
wirklicher Sonnenschein, wirklicher Wald. 

 

Wir wissen nichts von diesem Hingehn, das 
nicht mit uns teilt. Wir haben keinen Grund, 
Bewunderung und Liebe oder Hass 
dem Tod zu zeigen, den ein Maskenmund 
tragischer Klage wunderlich entstellt. 

 



Fragmente

Wie lange Nächte in verwelkten Lauben,  
die schon zerrissen sind auf allen Seiten  
und viel zu weit, um noch mit einem Zweiten,  
den man sehr liebt, zusammen drin zu weinen, -  
wie nackte Mädchen, kommend über Steine,  
wie Trunkene in einem Birkenhaine, -  
wie Worte, welche nichts Bestimmtes meinen  
und dennoch gehn, ins Ohr hineingehn, weiter  
ins Hirn und heimlich auf der Nervenleiter  
durch alle Glieder Sprung um Sprung versuchen, -  
wie Greise, welche ihr Geschlecht verfluchen  
und dann versterben, so dass keiner je  
abwenden könnte das verhängte Weh,  
wie volle Rosen, künstlich aufgezogen  
im blauen Treibhaus, wo die Lüfte logen,  
und dann vom Übermut in großem Bogen  
hinausgestreut in den verwehten Schnee, -  
wie eine Erde, die nicht kreisen kann,  
weil zuviel Tote ihr Gefühl beschweren,  
wie ein erschlagener verscharrter Mann,  
dem sich die Hände gegen Wurzeln wehren, -  
wie eine von den hohen, schlanken, roten  
Hochsommerblumen, welche unerlöst  
ganz plötzlich stirbt im Lieblingswind der Wiesen,  
weil ihre Wurzel unten an Türkisen  
im Ohrgehänge einer Toten  
stößt....  
 
Und mancher Tage Stunden waren so 
Als formte wer mein Abbild irgendwo,  
um es mit Nadeln langsam zu misshandeln.  
Ich spürte jede Spitze seiner Spiele,  
und war, als ob ein Regen auf mich fiele,  
in welchem alle Dinge sich verwandeln. 

Und mancher Tage Stunden waren so. 

 



Was wirst du tun, Gott?

Was wirst du tun, Gott, wenn ich sterbe?  
Ich bin dein Krug (wenn ich zerscherbe?)  
Ich bin dein Trank (wenn ich verderbe?)  
Bin dein Gewand und dein Gewerbe,  
mit mir verlierst du deinen Sinn.  
 
Nach mir hast du kein Haus, darin  
dich Worte, nah und warm, begrüßen.  
Es fällt von deinen müden Füßen  
die Samtsandale, die ich bin.  

 

Was wirst du tun, Gott, wenn ich sterbe?  
Was wirst du tun, Gott? 

 

Was wirst du tun Gott, wenn ich sterbe? 
Ich bin dein Krug (wenn ich zerscherbe?)  
Ich bin dein Trank (wenn ich verderbe?)  
Bin dein Gewand und dein Gewerbe,  
mit mir verlierst du deinen Sinn.
 

Dein großer Mantel lässt dich los.  
Dein Blick, den ich mit meiner Wange  
warm, wie mit einem Pfühl, empfange,  
wird kommen, wird mich suchen, lange -  
und legt beim Sonnenuntergange  
sich fremden Steinen in den Schoß.  

 

Was wirst du tun, Gott, wenn ich sterbe?  
Was wirst du tun, Gott? 

 

Was wirst du tun Gott, wenn ich sterbe? 
Ich bin dein Krug (wenn ich zerscherbe?)  
Ich bin dein Trank (wenn ich verderbe?)  
Bin dein Gewand und dein Gewerbe,  
mit mir verlierst du deinen Sinn.